Der Vorwurf wegen fahrlässiger Körperverletzung kann schnell im Raum stehen! Hier erfahren Sie, was es damit auf sich hat und was zu tun ist.
Anwalt für Körperverletzungsdelikte in Hamburg – Strafverteidigung bei Gewaltdelikten
Objektiver Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung, § 229 StGB
Eine fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) sieht – ebenso wie die einfache vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 StGB – im objektiven Tatbestand eine körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung voraus. Unter die körperliche Misshandlung fällt jede üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich einschränkt, d.h. bereits alles, was beim Opfer Schmerzen verursacht. Die Gesundheitsschädigung ist jedes Hervorrufen, Aufrechterhalten oder Steigern eines pathologischen Zustandes, d.h. alles, was ein Arzt als medizinische Diagnose stellen würde. Es genügt, wenn entweder eine körperliche Misshandlung oder eine Gesundheitsschädigung erfolgt ist.
Die Bereiche, in denen am häufigsten fahrlässige Körperverletzungen geschehen, sind der Straßenverkehr, medizinische Heileingriffe und der Produktvertrieb durch Unternehmen.
Beispiel: Ein Autofahrer vergisst beim Abbiegevorgang an einer grünen Ampel die sich kreuzende Straße zu überblicken (sog. Schulterblick) und erfasst sodann einen Fahrradfahrer, für den die Ampel ebenfalls grün war und der infolge der Kollision mit dem Auto Verletzungen erleidet. Im absoluten Regelfall wollte der Autofahrer den Fahrradfahrer nicht verletzen, sondern hat ihn schlichtweg übersehen. Anders als eine Person, die einer anderen Person eine gezielte Ohrfeige verpasst (Beispielsfall des § 223 StGB), hatte der Autofahrer keinen Vorsatz zur Verletzung des Fahrradfahrers.
Nicht nur aktive Handlungen, sondern auch passives Verhalten kann strafbar sein (z.B. Missachtung der Aufsichtspflicht über ein Kind, welches sich verletzt). Daher ist es auch möglich, Beschuldigter einer fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen (§§ 229, 13 Abs. 1 StGB) zu werden, wenn man eine sog. Garantenstellung für das Opfer innehat, d.h. rechtlich dazu verpflichtet ist, für das Opfer zu sorgen bzw. es zu überwachen (z.B. Eltern für Kinder).
Fahrlässigkeit der Verletzung eines Menschen: Sorgfaltspflichtverletzung
Die vorsätzliche Körperverletzung ist gemäß § 223 StGB und die fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229 StGB strafbar. Der Unterschied liegt darin, dass die fahrlässige Körperverletzung eine geringere Strafandrohung hat. Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Herbeiführung des Taterfolgs, d.h. der Täter weiß oder rechnet damit, dass seine Handlung einen Menschen verletzen kann und dies ist seine Absicht bzw. er nimmt den Verletzungserfolg billigend in Kauf. Fahrlässig handelt der Täter hingegen, wenn er eine sog. Sorgfaltspflichtverletzung begangen hat, infolge derer es zur Körperverletzung gekommen ist. Das bedeutet, dass der Täter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat und sich mit der Verletzung der Person gerade nicht abfindet und diese auch nicht wollte. Vielmehr hofft er darauf, dass der Taterfolg gerade nicht eintritt. Der Täter mit dem geringeren Unrechtssinn, d.h. derjenige, der „nur“ fahrlässig gehandelt hat, soll auch geringer bestraft werden.
Eine sog. Sorgfaltspflichtverletzung kann in der Missachtung einer bestimmten Gesetzesnorm liegen, z.B. die Geschwindigkeitsbegrenzung im Straßenverkehr (§ 3 StVO). Der Maßstab ist das Verhalten des gewissenhaften und einsichtigen Angehörigen des Verkehrskreises des Täters in der konkreten Tatsituation. Der Taterfolg muss für den fahrlässig handelnden Täter objektiv und subjektiv vorhersehbar gewesen sein. Das bedeutet, dass die Verletzung eines Menschen einerseits aus Sicht von außen nicht sosehr außerhalb der Lebenserfahrung lag (objektiv) und andererseits nach individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten des Täters fernlag (subjektiv), dass damit nicht gerechnet zu werden brauchte.
Es ist allerdings bei Körperverletzungsdelikten besondere Vorsicht geboten: Da die Strafverfolgungsbehörden nicht in den Kopf eines Beschuldigten hineinschauen können, dieser ein Schweigerecht genießt und es für innere Umstände nicht immer Beweise gibt, wird häufig aus der objektiven Tatbegehung auf das subjektive Vorstellungsbild des Täters geschlussfolgert. Aus verschiedenen Verhaltensweisen des Täters und anderen objektiven Umständen wollen die Strafverfolgungsbehörden darauf schließen, ob der Täter die Verletzung der Person wollte oder nicht. Kennzeichnend hierfür ist z.B. der sog. Berliner-Raser-Fall, in dem das Gericht anhand der objektiv-gefährlichen Fahrweise, den eklatanten Straßenverkehrsverstößen und den Prognosen zur Eigengefährdung auf einen bedingten (Tötungs-)Vorsatz schloss und eine bewusste Fahrlässigkeit verneinte (LG Berlin, Urt. v. 27.2.2017 − (535 Ks) 251 Js 52/16 (8/16)). Daher ist eine qualifizierte Strafverteidigung, die den Sachverhalt lückenlos aufarbeitet, unerlässlich!
Besonderheit: Fahrlässige Körperverletzung im Straßenverkehr
Im Straßenverkehr kommen fahrlässige Körperverletzungen wohl am häufigsten vor. Da in diesem Bereich abweichende Verhaltenspflichten verschiedenster Verkehrsteilnehmer kollidieren und es mit dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) und der Straßenverkehrsordnung (StVO) sehr ausführliche Regelwerke gibt, sind über die genannten Tatbestandsmerkmale der fahrlässigen Körperverletzung mitunter weitere zu beachten. Daher ist es besonders wichtig, einen qualifizierten Anwalt bzw. Strafverteidiger zu konsultieren.
Was kann/muss ich als Beschuldigter tun?
Die einfache vorsätzliche Körperverletzung ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bedroht, im Falle einer gefährlichen Körperverletzung ist grundsätzlich mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu rechnen. Besonders strafbewehrt ist die schwere Körperverletzung, bei der Freiheitsstrafen von einem Jahr bis zu zehn Jahren drohen. Die fahrlässige Körperverletzung wird hingegen mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft.
Wie hoch die konkrete Strafe ausfallen kann, hängt im Wesentlichen von den Gesamtumständen, wie der Motivation des Beschuldigten, der Art und Schwere der Verletzungsfolgen aber auch vom Verhalten nach der Tat (zB Entschuldigung, Schmerzensgeldzahlung) ab. In geeigneten Fällen kann es sich anbieten, schon frühzeitig mit Hilfe eines erfahrenen Strafverteidigers Kontakt zu den Geschädigten aufzunehmen, um eine Lösung zur Befriedung aller Beteiligten zu erreichen. So kann unter Umständen selbst in Fällen einer gefährlichen Körperverletzung noch eine Einstellung des Verfahrens erreicht werden, sodass es zu keiner Verurteilung und damit keiner Eintragung in das polizeiliche Führungszeugnis kommt.
Neben den strafrechtlichen Folgen können Geschädigte etwaige Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche (sogar parallel zum Strafverfahren!) auch im zivilrechtlichen Wege geltend machen. Das führt oftmals zu einer Notwendigkeit, sich „an mehreren Fronten“ zu verteidigen. Hier gilt es, frühzeitig breit aufgestellt zu sein und nichts dem Zufall zu überlassen.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zur fahrlässigen Körperverletzung, § 229 StGB
Antwort
Das Strafmaß der fahrlässigen Körperverletzung liegt bei Geldstrafe oder bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe (vgl. § 229 StGB). Damit handelt es sich um ein Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB).
Antwort
Es gibt verschiedene Wege wie ein Strafverfahren eingeleitet werden kann. Grundsätzlich können alle Personen eine Strafanzeige (§ 158 StPO) stellen. Das Opfer der Tat – auch Geschädigter genannt – kann einen Strafantrag (§§ 77 ff. StGB) stellen, weil es persönlich betroffen ist. Die Besonderheit bei der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 229 StGB liegt darin, dass sie ein sog. relatives Antragsdelikt ist, d.h. das Strafverfahren wird nur weitergeführt, wenn das Opfer einen Strafantrag gestellt hat oder stattdessen die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse der an der Strafverfolgung bejaht (§ 230 Abs. 1 S. 1 StGB). Ein solches besonderes öffentliche Interesse der an der Strafverfolgung von Körperverletzungen besteht gemäß Nr. 234 RiStBV, wenn der Beschuldigte
- einschlägig vorbestraft ist,
- roh oder besonders leichtfertig oder
- aus rassistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründen gehandelt hat,
- durch die Tat eine erhebliche Verletzung verursacht wurde oder
- dem Verletzten wegen seiner persönlichen Beziehung zum Beschuldigten nicht zugemutet werden kann, Strafantrag zu stellen, und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist
oder gemäß Nr. 243 Abs. 3 RiStBV, da fahrlässige Körperverletzungen besonders häufig im Straßenverkehr auftreten, wenn der Beschuldigte zusätzlich
- besonders pflichtwidrig gehandelt,
- zuvor Alkohol oder andere berauschende Mittel konsumiert hat oder
- die Tatfolgen für das Opfer schwerwiegend und dessen Mitverschulden gering oder nicht vorhanden ist.
In anderen als den genannten Fällen wird das Opfer auf den sog. Privatklageweg verwiesen (§ 376 StPO), da es sich bei der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 229 StGB um ein Privatklagedelikt gemäß § 374 Abs. 1 Nr. 4 StPO handelt. Das bedeutet, dass eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft nicht erhoben wird und bloß das Opfer das Verfahren weiterbetreiben kann.
Antwort
Sollten die Voraussetzungen des Körperverletzungstatbestandes nicht vorliegen oder der Beschuldigte gerechtfertigt oder entschuldigt sein, wird das Strafverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und eine Strafanzeige oder ein Strafantrag fallen gelassen. Da das Unrecht einer fahrlässigen Körperverletzung verhältnismäßig gering ist, kann das Strafverfahren auch aus Opportunitätserwägungen (§§ 153, 153a StPO) eingestellt werden oder – ohne notwendigen und belastenden Gang zum Gericht – im schriftlichen Verfahren durch einen Strafbefehl (§ 407 StPO) beendet werden. Gerne beraten wir sie hierzu in einem kostenlosen Erstgespräch mit Rechtsanwalt Noetzel näher.
Sollten seit der Tatbeendigung drei Jahre vergangen sein, ist die fahrlässige Körperverletzung verjährt (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB). Aber Achtung: Die Verfolgungsverjährung kann ruhen bzw. unterbrochen werden, so z.B. durch Ermittlungsmaßnahmen wie die Einleitung des Strafverfahrens, die Vernehmung des Beschuldigten oder eine gerichtliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung.
Antwort
Sobald beim Vorwurf einer Körperverletzung im Straßenverkehr der Verdacht besteht, dass der Beschuldigte unter Alkoholeinwirkung gehandelt hat, ist gemäß Nr. 243 Abs. 2 RiStBV für eine unverzügliche Blutentnahme zur Bestimmung des Blutalkoholgehalts zu sorgen. Der sog. Atemalkoholgehalt ist weniger aussagekräftig als der Blutalkoholgehalt und wird mittels Atemalkoholkontrolle durch das Pusten in ein mit Chemikalien versehenes Röhrchen überprüft. Sollte die Polizei Sie zu einer Atemalkoholkontrolle auffordern, dürfen Sie diese verweigern, denn Sie sind entsprechend der sog. Selbstbelastungsfreiheit (Art. 6 Abs. 1 EMRK) nicht dazu verpflichtet, aktiv an Ihrer eigenen Überführung mitzuwirken. Im Falle Ihrer Verweigerung darf die Polizei Sie allerdings ohne Ihre Einwilligung, d.h. zwangsweise, gemäß § 81a StPO einer Blutentnahme zuführen. Wichtig: Diese darf nur von einem approbierten Arzt durchgeführt werden, d.h. hierfür ist eine Mitnahme auf die Polizeidienststelle oder in ein Krankenhaus notwendig.
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Weil 100 Prozent
nicht genug sind,
wenn es um die Freiheit geht.Patrique Robert Noetzel
Rechtsanwalt