Patrique Robert Noetzel
Rechtsanwalt

Gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB

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Anwalt für Körperverletzungsdelikte in Hamburg – Strafverteidigung bei Gewaltdelikten

Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung, § 224 StGB

Die gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) ist eine sog. Qualifikation der einfachen Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB, d.h. sie setzt bereits eine vorsätzlich begangene körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung voraus und bestraft zudem den Einsatz gewisser Mittel oder Vorgehensweisen.

Der Unterschied gegenüber der einfachen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB besteht darin, dass die Strafandrohung wesentlich höher ist, denn es ist keine Geldstrafe mehr vorgesehen, sondern ausschließlich Freiheitsstrafe. Damit ist das Risiko, eine Bewährungsstrafe zu erhalten oder gar ins Gefängnis gehen zu müssen wesentlich größer. Dem liegt zugrunde, dass der gefährlichen Körperverletzung im Sinne des § 224 StGB durch Verwendung besonderer Tatmittel bzw. der besonderen Art der Tatbegehung eine höhere abstrakte Gefährlichkeit für das Opfer innewohnt. Dennoch ist die gefährliche Körperverletzung statistisch kein Ausnahme-, sondern eher der Regelfall, denn je nach Art der körperlichen Auseinandersetzung ist der Qualifikationstatbestand der gefährlichen Körperverletzung durchaus schnell erfüllt, wenn es sich nicht z.B. um einen bloßen Faustschlag handelt. Dies zeigen die verschiedenen Varianten des § 224 StGB im Folgenden auf.

Nr. 1: Gift oder andere gesundheitsschädliche Stoffe

Zunächst ist die Beibringung von Gift und anderen gesundheitsschädlichen Stoffen erfasst. Der Spezialfall Gift ist jeder (organische oder anorganische) Stoff, der unter bestimmten Bedingungen (z.B. Einatmen, Verschlucken, Aufnahme auf der Haut) durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung nach seiner Art und der vom Täter eingesetzten Menge im konkreten Fall geeignet ist, ernsthafte gesundheitliche Schäden zu verursachen (Fischer-StGB § 224 Rn. 4). Hierunter können nicht nur „klassische“ Gifte, die jeder kennt, wie z.B. Quecksilber, Kohlenmonoxid oder Salzsäure fallen, sondern auch eben auch Stoffe des Alltags. Die Rechtsprechung hat als Gift neben offensichtlich narkotisierenden „K.O.“-Tropfen (BGH, Beschluss vom 27.01.2009 – 4 StR 473/08) z.B. auch herkömmliches Speisesalz (in einer gesundheitsbedrohlichen Dosierung, so BGH, Urteil vom 16.03.2006 – 4 StR 536/05) sowie Bakterien, Viren und Krankheitserreger (z.B. Covid-19) anerkannt. Dazu zählen richterweise auch chemisch wirkende Reizgase wie z.B. Tränen- oder Pfefferspray (so auch NStZ 2009, 364, 365), wobei diese – im Ergebnis ohne Unterschied – von der Rechtsprechung als gefährliches Werkzeug gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB eingestuft werden (BGH, Beschluss vom 12.06.2012 – 3 StR 186/12).

Als gesundheitsschädlicher Stoff gilt demgegenüber alles, was nicht chemisch(-physikalisch), sondern auf andere Weise, d.h. z.B. mechanisch oder thermisch wirkt (Fischer, StGB, § 224 Rn. 5), so etwa kochendes Wasser (BGH, Beschluss vom 28.07.2004 – 2 StR 207/04) oder Feuer (BGH, Beschluss vom 28.03.2018 – 4 StR 81/18). Entscheidend ist, dass die konkrete Art der Verwendung des Stoffes erheblich gesundheitsschädlich ist, so z.B. aufgrund der Dosierung, des Wirkungsortes oder der Beibringungsart. So reichen z.B. durchschnittliche Mengen Alkohol oder Nikotin nicht aus.

Nr. 2: Waffe oder anderes gefährliches Werkzeug

Eine Waffe ist jeder Gegenstand, der unter das Waffengesetz (WaffG) fällt, d.h. solche Gegenstände, die dazu bestimmt sind, Menschen kampfunfähig zu machen, zu verletzen oder gar zu töten. Dazu zählen verschiedene Schuss-, Hieb-, Stoß- und Wurfwaffen. Entscheidend ist, dass eine Waffe funktionsfähig und geladen ist (BGH, Beschluss vom 17.06.1998 – 2 StR 167/98). Natürlich fallen darunter gängige Pistolen oder Gewehre, die Kugeln abfeuern, aber eben auch Gaspistolen (BGH, Urteil vom 11.05.1999 – 4 StR 380/98), Schreckschusswaffen (BGH, Urteil vom 24.04.2025 – 5 StR 729/24) sowie Schlagringe und -stöcke (LG Magdeburg, Urteil vom 16.03.2007 – 25 KLs 59/05).
Nach der nicht unbestrittenen Auffassung der Rechtsprechung ist ein gefährliches Werkzeug jeder Gegenstand, der zwar nicht dazu bestimmt, aber nach seiner konkreten Beschaffenheit und der Art der Verwendung dazu geeignet ist, erhebliche Verletzungen bei Menschen hervorzurufen (BGH, Urteil vom 24.06.2015 – 2 StR 30/15). Dies gilt neben dem Pfefferspray (s.o.). z.B. für schwere (Eisenstange, Rohrzange) und spitze (Schere, Rasierklinge) Gegenstände aller Art. Für Bekleidungsgegenstände ist dies diffiziler: Ein schwerer Schuh mit viel Profil (z.B. Springerstiefel) ist bereits nach seiner konkreten Beschaffenheit verletzungsgeeignet, während dies für normale Turnschuhe nur nach der konkreten Art der Verwendung gilt (BGH, Urteil vom 24.09.2009 – 4 StR 347/09). Das Zünden von Pyrotechnik (z.B. Böller, Bengalos und Rauchtöpfe) kann ebenso unter das Merkmal des gefährlichen Werkzeugs fallen, wenn in einer Menschenmenge (wie z.B. im Fußballstadion) damit zu rechnen ist, dass andere Personen von der Sprengwirkung  getroffen werden können (LG Köln, Urteil vom 03.12.2020 – 113 KLs 23/19).

Nr. 3: Hinterlistiger Überfall

Die gefährliche Körperverletzung wird mittels Überfalls begangen, wenn das Opfer sich keines Angriffs versieht und sich hierauf nicht vorbereiten kann; hinterlistig ist der Überfall dann, wenn der Täter seine Absichten, dem Opfer die Verteidigungsmöglichkeiten zu erschweren, planmäßig verdeckt und sich dies nach außen manifestiert (Fischer-StGB § 224 Rn. 22). Hierfür reicht es allerdings nicht aus, wenn der Täter dem Opfer auflauert und es dann plötzlich angreift (BGH, Beschluss vom 15.07.2003 – 1 StR 249/03). Vielmehr ist erforderlich, dass der Täter offen auftritt und sein Verhalten keinen Anlass für den späteren Angriff gibt.

Nr. 4: Mit (mindestens) einem anderen Beteiligten

In dynamischen körperlichen Auseinandersetzungen handeln zumeist mehrere Personen gleichzeitig, denen sodann eine gemeinschaftliche Begehung der Körperverletzung vorgeworfen werden kann. Dies ist der Fall, wenn mindestens ein Täter (§ 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB) und ein Gehilfe (§ 27 StGB) am Tatort zusammenwirken (BGH, Urteil vom 03.09.2002 – 5 StR 210/02). Damit reicht es aus, dass derjenige, der die Tathandlung ausführt (z.B. schlägt oder tritt) dabei Unterstützung von einer anderen Person erhält. Diese Unterstützung kann sowohl körperlicher (z.B. Anreichen eines Tatwerkzeugs) oder geistiger Natur (z.B. Anfeuern) sein (BGH, Urteil vom 22.12.2005 – 4 StR 347/05). Dadurch, dass zwei Personen handeln, ist das Opfer in der Unterzahl und die Gefahr für schwerere Verletzungen erhöht sich signifikant. Da mehrere Personen zusammenwirken, kann die Tatbegehung auch mit der Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB) zusammentreffen.

Nr. 5: Lebensgefährdende Behandlung

Zuletzt wirkt es straferhöhend, wenn die Tatbegehung gleichzeitig eine lebensgefährdende Behandlung darstellt. Dabei ist umstritten, ob diese Behandlung konkret lebensgefährlich (d.h. das Opfer schwebt tatsächlich in Lebensgefahr) oder nur abstrakt lebensgefährlich (d.h. die Tathandlung war nach den Umständen des Einzelfalls bloß geeignet, lebensgefährlich zu sein) sein muss. Nach der ständigen Rechtsprechung handelt es sich um ein Eignungsdelikt, d.h. es muss keine Lebensgefahr eingetreten sein (BGH, Urteil vom 04.11.1988 – 1 StR 262/88). Als lebensgefährdende Behandlung zählen z.B. Schläge/Tritte in empfindliche Körperbereiche wie den Kopf (BGH, Beschluss vom 23.07.2004 – 2 StR 101/04) oder intensive Würgegriffe (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 – 4 StR 442/10).

FAQ: Häufig gestellte Fragen zur gefährlichen Körperverletzung, § 224 StGB

Antwort

Dazu gehören u. a. die einfache Körperverletzung (§ 223 StGB), gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB), schwere Körperverletzung (§ 226 StGB), Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB), fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) sowie die Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB).

Antwort

Das Strafmaß der gefährlichen Körperverletzung liegt bei Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu zehn Jahren (vgl. § 224 Abs. 1 StGB), d.h. höher als bei einer einfachen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB.

Die Strafandrohung sinkt in einem minder schweren Fall und kann beim bloßen Versuch (§§ 224 Abs. 2, 22, 23 StGB) sinken. Eine nur versuchte gefährliche Körperverletzung liegt in der Regel vor, wenn der Taterfolg, d.h. die Verletzung eines Menschen, nicht eingetreten ist, aber vom Täter bei seiner Tatausführung gewollt war (z.B. Täter setzt zum Stich mit einem Messer an und das Opfer duckt sich rechtzeitig weg). Ein minderschwerer Fall liegt vor, wenn die Tat im Einzelfall derart von dem Regelfall der gefährlichen Körperverletzung abweicht, dass der Regelstrafrahmen nicht angemessen erscheint. Dies kommt z.B. in Betracht, wenn der Täter provoziert worden ist, weil sich das Opfer wiederholt grundlos aggressiv verhalten hat (BGH, Beschluss vom 07.01.2004 – 3 StR 456/03) oder eine Eskalation der Auseinandersetzung mit zu verantworten hat (BGH, Beschluss vom 10.01.2006 – 4 StR 545/05).

Antwort

Nein, die gefährliche Körperverletzung ist – anders als die einfache Körperverletzung (§ 223 StGB) – kein Antragsdelikt im Sinne des § 230 Abs. 1 S. 1 StGB, d.h. sie wird von der Staatsanwaltschaft auch ohne Strafantrag des Opfers (§§ 77 ff. StGB) und wegen des Legalitätsgrundsatzes (§ 152 StPO) in jedem Fall verfolgt.

Antwort

Ein einmal eingeleitetes Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung kann z.B. gemäß § 170 Abs. 2 StPO ohne Strafe eingestellt werden, wenn sich herausstellt, dass der Beschuldigte die Tat nicht begangen hat oder die Beweislage nicht ausreichend ist. Daneben ist auch eine Einstellung aus Opportunitätsgründen gemäß §§ 153, 153a StPO möglich, z.B. durch Ableistung eines Täter-Opfer-Ausgleichs (§ 46a StGB: in der Regel Geldzahlung an das Opfer) oder Absolvierung eines sozialen Trainingskurses. Hierzu verhelfen wir Ihnen gerne und zeigen Ihnen die bestmögliche Verteidigung für Sie auf.

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