Anwalt für Körperverletzungsdelikte in Hamburg – Strafverteidigung bei Gewaltdelikten
Objektiver Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 StGB
Die Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) ist eine sog. Erfolgsqualifikation der übrigen Körperverletzungsdelikte, d.h. sie setzt bereits eine vorsätzlich begangene körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung voraus. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine einfache Körperverletzung (§ 223 StGB), eine gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) oder eine schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) handelt.
Wichtig: Eine fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge ist als solche nicht unter Strafe gestellt, weil § 227 StGB nur die genannten vorsätzlichen Körperverletzungsformen und nicht die fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) vorsieht. Diese Konstellation wird jedoch gegebenenfalls von der fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB) erfasst.
Bei der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) kommt es infolge der vom Täter zugefügten Körperverletzung zu einem unmittelbar-kausal tödlichen Ausgang für das Opfer. Daher sieht der Tatbestand eine hohe Strafandrohung vor und es handelt sich um ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter 3 Jahren.
Anforderungen an den Zusammenhang zwischen Körperverletzung und Todesfolge
Natürlich kann der Täter nur für den Tod des Opfers bestraft werden, wenn er für diesen verantwortlich ist. Mit der Körperverletzung, die der Täter dem Opfer zugefügt hat, hat dieser bereits ein abstraktes Risiko dafür gesetzt, dass hieraus Folgeerkrankungen resultieren können. § 227 StGB setzt nun – ebenso wie § 226 StGB – für eine Strafbarkeit des Täters voraus, dass zwischen der Körperverletzung und der schweren Folge ein sog. spezifischer Risikozusammenhang besteht, d.h. der Körperverletzung muss eine tatbestandsspezifische Gefahr anhaften, welche sich gerade im Tod des Opfers realisiert hat (Fischer, StGB, § 227 Rn. 3), sodass dem Täter der Tod zugerechnet werden kann.
Beispiel: Der Täter schlägt das stark alkoholisierte Opfer gezielt mit der Faust ins Gesicht, was zunächst bloß eine einfache Körperverletzung (§ 223 StGB) darstellt. Durch den Faustschlag beginnt das Opfer noch mehr zu taumeln, verliert das Gleichgewicht und trifft mit dem Hinterkopf auf die Bordsteinkante auf. Infolge dieser Kopfverletzung verstirbt das Opfer.
Nach der Rechtsprechung reicht es bereits aus, dass der Körperverletzungshandlung (also nicht erst dem Verletzungserfolg) das Risiko eines tödlichen Ausgangs anhaftet und sich dann dieses dem Handeln des Täters eigentümliche Risiko im Todeseintritt verwirklicht (BGH, Urteil vom 30.06.1982 – 2 StR 226/82). In gezielter stumpfer Gewalteinwirkung, so auch einem Faustschlag auf eine alkoholisierte Person, soll bereits eine solche Todesgefahr liegen (Beispiel nach LG Gera, Urteil vom 23.10.1995 – 207 Js 13564/93 – 5 KLs). Dieser Lösungsweg wird von Stimmen aus der Strafrechtswissenschaft kritisiert. Sie wollen den Täter erst bestrafen, wenn dem Verletzungserfolg (und nicht der Körperverletzungshandlung) das Risiko eines tödlichen Ausgangs anhaftet, weil der Verantwortungsbereich des Täters dann unmittelbarer und enger ausfällt (Roxin, Strafrecht AT I, Kap. 10 Rn. 115). Im genannten Beispiel wäre aber auch dies der Fall, weil dem Aufprall mit einem empfindlichen Körperteil auf einen harten Untergrund ebenfalls eine Todesgefahr innewohnt.
Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs
Dem Täter kann gleichwohl nicht jeder Umstand, der zwischen der Körperverletzung und der Todesfolge passiert, zugerechnet werden. Der sog. Zurechnungszusammenhang kann unterbrochen werden und fehlt sodann, wenn der Geschehensablauf zwischen der Körperverletzung und der Todesfolge außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt und sich als Verkettung außergewöhnlicher Umstände darstellt, d.h. als zufällige, nicht vorausseh- oder erwartbare Umstände (BGH, Urteil vom 16.03.2006 – 4 StR 536/05). Dies kommt in Betracht, wenn Dritte in den Geschehensablauf eingreifen oder das Opfer selbstverantwortlich eine weitere Ursache für den tödlichen Ausgang setzt, z.B. bei einem todesursächlichen ärztlichen Behandlungsfehler (BGH, Beschluss vom 08.07.2008 – 3 StR 190/08) oder bei einem freiverantwortlichen Suizid des Opfers infolge der Körperverletzung (Fischer-StGB § 227 Rn. 4). An die Unvorhersehbarkeit stellt die Rechtsprechung gleichwohl hohe Anforderungen. So soll es z.B. nicht ausreichen, wenn der Krankheitsverlauf des Opfers eine „medizinische Rarität“ ist, weil Ursache für den Tod immer noch die Körperverletzung sei (BGH, Urteil vom 15. 11. 2007 – 4 StR 453/07). Womit der Täter ebenfalls rechnen muss, ist, dass das Opfer eine Patientenverfügung hat, infolge derer die Weiterbehandlung lebensbedrohlicher Verletzungen unterlassen wird (BGH, Beschluss vom 17.03.2020 – 3 StR 574/19).
Subjektiver Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 StGB
Der subjektive Maßstab der Körperverletzung mit Todesfolge erfordert Vorsatz in Bezug auf den Grundtatbestand der vollendeten Körperverletzung und mindestens Fahrlässigkeit (§ 18 StGB) in Bezug auf die Todesfolge. Das bedeutet anhand des oben dargestellten Beispielsfalls, dass der subjektive Tatbestand erfüllt ist, wenn der Täter zwar die Körperverletzung, d.h. die Verletzung durch Faustschlag, an sich gewollt hat, aber die daraus resultierende Todesfolge, d.h. der tödliche Fall auf die Bordsteinkante, nicht zwingend gewollt hat. In Bezug auf die Todesfolge genügt es, wenn der Täter den Todeserfolg subjektiv aus seiner eigenen Sichtweise voraussehen konnte, denn in der Begehung der Körperverletzung liegt schon ein Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Achtung: Nimmt der Täter die Todesfolge billigend in Kauf, ist ein Totschlag (§ 212 StGB) verwirklicht.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zur Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 StGB
Antwort
Ist das Opfer infolge der vom Täter begangenen Körperverletzung verstorben, wird dem Täter diese Todesfolge – gegenüber den anderen Körperverletzungstatbeständen (z.B. §§ 223, 224, 226 StGB) – straferhöhend nur dann zugerechnet, wenn bereits der Körperverletzung eine tatbestandsspezifische Gefahr anhaftet, welche sich gerade im Tod des Opfers realisiert hat. Dies liegt nahe bei abstrakt gefährlichen Handlungen (z.B. Tritte auf den Kopf), in bestimmten Situationen (z.B. alkoholisiertes Opfer) oder an gefährlichen Orten (z.B. Klippe).
Antwort
Das Strafmaß der Körperverletzung mit Todesfolge liegt bei Freiheitsstrafe von nicht unter drei Jahren, d.h. es handelt sich um ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB). Das ist entscheidend, weil hiermit wesentliche prozessuale Folgen einhergehen. So kann ein Verbrechen z.B. nicht mehr nach Opportunitätserwägungen (§§ 153, 153a StPO) eingestellt werden, es kann nicht mehr im schriftlichen Strafbefehlsverfahren (§ 407 Abs. 2 StPO) abgeurteilt werden und eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung (d.h. kein Gefängnisaufenthalt) ist bei Verurteilung grundsätzlich nicht mehr möglich (§ 56 StGB). Eine Anklage kann wegen des hohen Strafmaßes nicht mehr beim Amtsgericht, sondern muss beim Landgericht eingereicht und dort verhandelt werden (§ 74 Abs. 2 Nr. 6 GVG).
Die Strafandrohung sinkt in einem minder schweren Fall (§ 227 Abs. 2 StGB) auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren. Ein minderschwerer Fall liegt vor, wenn die Tat im Einzelfall derart von dem Regelfall der gefährlichen Körperverletzung abweicht, dass der Regelstrafrahmen nicht angemessen erscheint. Dies kommt z.B. in Betracht, wenn der Täter provoziert worden ist, weil sich das Opfer wiederholt grundlos aggressiv verhalten hat (BGH, Beschluss vom 07.01.2004 – 3 StR 456/03) oder eine Eskalation der Auseinandersetzung mitzuverantworten hat (BGH, Beschluss vom 10.01.2006 – 4 StR 545/05).
Antwort
Nein, die Körperverletzung mit Todesfolge ist – anders als die einfache Körperverletzung (§ 223 StGB) – kein Antragsdelikt im Sinne des § 230 Abs. 1 S. 1 StGB, d.h. sie wird von der Staatsanwaltschaft auch ohne Strafantrag der Angehörigen des Opfers (§§ 77 ff. StGB) und wegen des Legalitätsgrundsatzes (§ 152 StPO) in jedem Fall verfolgt.
Antwort
Ein einmal eingeleitetes Strafverfahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge kann z.B. gemäß § 170 Abs. 2 StPO ohne Strafe eingestellt werden, wenn sich herausstellt, dass der Beschuldigte die Tat nicht begangen hat oder die Beweislage nicht ausreichend ist. Ergibt sich, dass der spezifische Risikozusammenhang zwischen der Körperverletzung und dem Tod des Opfers fehlt oder unterbrochen worden ist (s.o.), wird der Vorwurf auf eine einfache oder gefährliche Körperverletzung (§§ 223, 224 StGB) herabgestuft. Melden Sie sich gerne noch heute für einen kostenlosen Erstberatungstermin bei uns.
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