Patrique Robert Noetzel
Rechtsanwalt

Schwere Körperverletzung, § 226 StGB

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Anwalt für Körperverletzungsdelikte in Hamburg – Strafverteidigung bei Gewaltdelikten

Objektiver Tatbestand der schweren Körperverletzung, § 226 StGB

Die schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) ist eine sog. Erfolgsqualifikation der einfachen Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB, d.h. sie setzt bereits eine vorsätzlich begangene körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung voraus. Der entscheidende Unterschied zwischen der einfachen bzw. gefährlichen Körperverletzungen gemäß §§ 223, 224 StGB und der schweren Körperverletzung gemäß § 226 StGB besteht darin, dass die Strafandrohung wesentlich höher ist, denn es handelt sich um ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) mit mindestens einem Jahr und bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe. Dem liegt zugrunde, dass im Fall einer schweren Körperverletzung im Sinne des § 226 StGB eine sog. schwere Folge eintreten muss. Dabei handelt es sich um gravierende und irreparable, d.h. nicht therapier- oder heilbare, Erkrankungen bzw. Behinderungen des Opfers. Diese Folgen listet das Gesetz im Einzelnen grundsätzlich erklärend auf, dennoch wollen wir Ihnen im Folgenden einen besseren Überblick bieten.

Nr. 1: Verlust des Seh-, Gehör- oder Sprechvermögens oder der Fortpflanzungsfähigkeit

Der Verlust des Sehvermögens ist die Aufhebung der Fähigkeit, mittels (mindestens) eines Auges Gegenstände wahrzunehmen, wenn auch nur auf kurze Entfernung oder reduziert auf wenige Prozent Sehkraft (Fischer-StGB § 226 Rn. 2a). Der Verlust des Gehörvermögens ist eine chronische Taubheit auf beiden Ohren (Fischer, StGB, § 226 Rn. 3) oder reduziert auf wenige Prozent Hörkraft (BGH, Beschluss vom 08.12.2010 – 5 StR 516/10). Der Verlust des Sprechvermögens ist eine dauerhafte Stummheit, wofür ein bloßes Stottern nicht genügt (Fischer, StGB, § 226 Rn. 4). Der Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit meint die Zeugungs- bzw. Gebährfähigkeit beider Geschlechter und gerade nicht die Potenz bzw. Beischlafsfähigkeit (Fischer-StGB § 226 Rn. 5)

Nr. 2: Verlust oder Gebrauchsunfähigkeit eines Körperglieds

Bei dem Verlust oder Gebrauchsunfähigkeit eines Körperglieds handelt es sich nicht mehr nur um Körperglieder, d.h. solche, die mit Gelenken verbunden sind, sondern vielmehr mittlerweile um alle Körperteile, die für den Gesamtorganismus relevant sind, weil sie eine besondere Funktion erfüllen, so z.B. ein Finger (BGH, Urteil vom 25.09.1990 – 5 StR 278/90), aber wohl keine inneren Organe (Fischer, StGB, § 226 Rn. 6).

Nr. 3: Dauernde Entstellung oder dauerndes Verfallen in Siechtum, Lähmung, geistige Krankheit oder Behinderung

Eine dauernde Entstellung in erheblicher Weise ist eine Verunstaltung der körperlichen Gesamterscheinung, so z.B. bei einzelnen besonders großen oder markanten Narben, ebenso wie bei einer Vielzahl von Narben in derselben Körperregion (BGH, Urteil vom 14.08.2014 − 4 StR 163/14) oder dem Verlust mehrerer Vorderzähne (BGH, Urteil vom 02.03.1962 – 4 StR 536/61). Der Dauerhaftigkeit soll nach der Rechtsprechung, die von einigen Stimmen aus der Wissenschaft bestritten wird, nicht entgegenstehen, dass das Opfer das Defizit durch eine Folgeoperation hätte abmildern oder vor Blicken von außen (z.B. durch eine Prothese) verdecken könnte (BGH, Urteil vom 07.02.2017 – 5 StR 483/16).

Die weiteren Krankheitszustände müssen ebenfalls chronisch sein. Siechtum ist die Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens bis zur Hinfälligkeit, z.B. bei starker Epilepsie (BGH, Urteil vom 31. 1. 2007 – 1 StR 429/06). Die Lähmung muss die Bewegungsfähigkeit eines Körperteils betreffen, so z.B. Gelenksversteifungen (BGH, Beschluss vom 03.05.1988 – 1 StR 167/88). Geistige Krankheiten oder Behinderungen sind mindestens solche des § 20 StGB und darüberhinausgehend insbesondere Suchterkrankungen (Fischer, StGB, § 226 Rn. 13).

Subjektiver Tatbestand der schweren Körperverletzung, § 226 StGB

Der subjektive Maßstab der schweren Körperverletzung erfordert Vorsatz in Bezug auf die den Grundtatbestand der vollendeten Körperverletzung und mindestens Fahrlässigkeit (§ 18 StGB) in Bezug auf die jeweilige schwere Folge. Das bedeutet, dass der subjektive Tatbestand schon erfüllt ist, wenn der Täter zwar die Körperverletzung (z.B. Verletzung durch Messerstich) an sich gewollt hat, aber die daraus resultierende irreparable Folge (z.B. Verlust eines Auges) nicht zwingend gewollt hat. Bestraft wird hierbei der Umstand, dass die Ausführung einer Körperverletzungshandlung auch potenziell unkontrollierbare Gefahren und Folgen haben kann. Erforderlich ist hierfür jedoch, dass zwischen der Körperverletzung und der schweren Folge ein sog. spezifischer Risikozusammenhang besteht, d.h. der Körperverletzung muss eine tatbestandsspezifische Gefahr anhaften, welche sich gerade in der schweren Folge realisiert hat (Fischer, StGB, § 226 Rn. 14). Anhand unseres Beispiels heißt dies: Sticht der Täter mit einem Messer in den Augenbereich des Opfers, handelt er entgegen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt fahrlässig und missachtet dabei, dass ein Auge durch den Stich funktionsunfähig werden kann.

Strafschärfung gemäß § 226 Abs. 2 StGB

Wenn der Täter die schwere Folge, also im dargestellten Beispiel den Verlust des Auges, sogar absichtlich (sog. dolus directus 1. Grades) oder wissentlich (sog. dolus directus 2. Grades) herbeigeführt hat, dann steigt wegen des höheren Unrechtsgehalts die Strafandrohung auf Freiheitsstrafe von nicht unter 3 Jahren.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zur schweren Körperverletzung, § 226 StGB

Antwort

Während die gefährliche Körperverletzung gravierende Tatmittel oder Tatbegehungen (das „Womit“ oder „Wie“) erfasst, sanktioniert die schwere Körperverletzung die gravierenden Resultate (das „Was“). Entscheidender Aspekt für die enorme Strafmaßerhöhung ist die Irreparabilität der aufgezählten Folgen, d.h. dass der körperliche Ausgangszustand zumeist nicht wiederhergestellt werden kann und die Folge für das Opfer dauerhaft ist.

Antwort

Das Strafmaß der schweren Körperverletzung liegt bei Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, d.h. es handelt sich um ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB). Das ist entscheidend, weil hiermit wesentliche prozessuale Folgen einhergehen. So kann ein Verbrechen z.B. nicht mehr aus Opportunitätserwägungen (§§ 153, 153a StPO) eingestellt werden, es wird nicht mehr im schriftlichen Strafbefehlsverfahren (§ 407 Abs. 2 StPO) abgeurteilt werden und eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung (d.h. kein Gefängnisaufenthalt) ist ausschließlich unter besonderen Umständen möglich (§ 56 Abs. 2 StGB).

Die Strafandrohung sinkt in einem minder schweren Fall auf Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren (§ 226 Abs. 3 Alt. 1 StGB) und kann beim bloßen Versuch (§§ 226, 22, 23 StGB) sinken. Ein minderschwerer Fall liegt vor, wenn die Tat im Einzelfall derart von dem Regelfall der gefährlichen Körperverletzung abweicht, dass der Regelstrafrahmen nicht angemessen erscheint. Dies kommt z.B. in Betracht, wenn der Täter provoziert worden ist, weil sich das Opfer wiederholt grundlos aggressiv verhalten hat (BGH, Beschluss vom 07.01.2004 – 3 StR 456/03) oder eine Eskalation der Auseinandersetzung mitzuverantworten hat (BGH, Beschluss vom 10.01.2006 – 4 StR 545/05).

Antwort

Nein, die schwere Körperverletzung ist – anders als die einfache Körperverletzung (§ 223 StGB) – kein Antragsdelikt im Sinne des § 230 Abs. 1 S. 1 StGB, d.h. sie wird von der Staatsanwaltschaft auch ohne Strafantrag des Opfers (§§ 77 ff. StGB) und wegen des Legalitätsgrundsatzes (§ 152 StPO) in jedem Fall verfolgt.

Antwort

Ein einmal eingeleitetes Strafverfahren wegen schwerer Körperverletzung kann z.B. gemäß § 170 Abs. 2 StPO ohne Strafe eingestellt werden, wenn sich z.B. herausstellt, dass der Beschuldigte die Tat nicht begangen hat oder die Indizien- und Beweislage nicht ausreichend ist. Wenn das Opfer doch keine der aufgezählten Folgen erlitten hat, wird der Vorwurf auf eine einfache oder gefährliche Körperverletzung (§§ 223, 224 StGB) herabzustufen sein. Hierzu steht Ihnen Rechtsanwalt | Strafverteidiger Noetzel gerne zur Seite. Eine Einstellung aus Opportunitätsgründen ist wegen des Verbrechenscharakters nicht mehr möglich (s.o.). Daher kommt es umso mehr auf eine kompetente und individuelle Strafverteidigung an.

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Weil 100 Prozent
nicht genug sind,
wenn es um die Freiheit geht.

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