Patrique Robert Noetzel
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Darf ich Polizeieinsätze filmen?

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Ausgangssituation und Interessenlage

Um sich als Betroffener effektiv gegen Fälle illegitimer Polizeigewalt wehren zu können, ist es naheliegend, Polizeieinsätze (z.B. bei Fußballveranstaltungen) mit dem eigenen Smartphone zu filmen. So können sich Fans einerseits gegen erhobene Widerstandsvorwürfe (§§ 113, 114 StGB) verteidigen sowie andererseits die Verletzung des eigenen Körpers strafrechtlich (§ 340 StGB) und zivilrechtlich (Stichwort: Schadensersatzansprüche) beweisen. Ob das Ganze jedoch eine gute Idee ist und ob nicht doch strafrechtliche (Rest-)Vorwürfe gegen den Filmenden drohen, soll in diesem Beitrag umfassend aufgezeigt werden.

Keine Strafbarkeit nach KunstUrhG ohne Verbreitung

Wegen des Rechtsguts der Privatsphäre (Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ist es jedoch nicht ohne Einschränkungen erlaubt, andere Personen (auch Polizeibeamt:innen) „einfach so“ zu filmen. Jeder Mensch besitzt das sog. Recht am eigenen Bild. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 – 6 C 7/98) hat bereits in der Vergangenheit betont, dass das bloße Anfertigen von Bild- und Videoaufnahmen – ohne anschließendes Verbreiten bzw. Veröffentlichen – nicht bereits gem. §§ 22 S. 1, 33 Abs. 1 KunstUrhG strafbar ist. Werden die Aufnahmen bloß für die o.g. nachvollziehbaren Beweiszwecke präventiv aufbewahrt, macht sich der Filmende demnach nicht wegen der Verbreitung eines Bildnisses ohne Einwilligung strafbar.

Strafbarkeit wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gem. § 201 StGB

In jüngerer Zeit haben einige Gerichte die weiterführende Frage, ob die Aufnahme der von Polizeibeamt:innen gesprochenen Worte (Anmerkung: betrifft damit nur Videos und Tonbandaufnahmen, nicht bloße Fotos) eine strafbare Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) darstellt, unterschiedlich beurteilt. Daraus hat sich ein Rechtsprechungs-„Flickenteppich“ entwickelt, der bei Betroffenen vor allem eins auslöst: Ungewissheit und Angst, (vermeintlich) rechtswidrige Maßnahmen zu dokumentieren.

Vage Rechtsprechung zur „Öffentlichkeit“ des gesprochenen Wortes

Einige Landgerichte (z.B. LG Kassel, Beschluss vom 23.09.2019 – 2 Qs 111/19; LG Frankenthal, Beschluss vom 16.10.2020 – 4b Gs 1760/20; LG Osnabrück, Beschluss vom 24.09.2021 – 10 Qs 49/21) haben eine Strafbarkeit gem. § 201 StGB weitgehend mit dem Argument verneint, dass das hoheitlich gesprochene Wort von Polizeibeamt:innen bei Einsätzen im nicht privaten Verkehrsraum bzw. unter freiem Himmel gerade per se öffentlich oder angesichts von erkennbarer Mithörmöglichkeiten Dritter zumindest faktisch öffentlich sei. Das LG Hanau ist der Ansicht, dass das Einschalten einer von Polizeibeamt:innen getragenen „Body-Cam“ unter den Voraussetzungen des jeweiligen LandPolG ebenso eine faktische Öffentlichkeit erzeugt (LG Hanau, Beschluss vom 20.04.2023 – 1 Qs 23/22).

Unbefugtheit der Aufnahme

Selbst wenn nach der restriktiven Rechtsprechung eine nichtöffentliche Situation vorliegt, ist es dem Betroffenen nicht automatisch verwehrt, die polizeiliche Maßnahme zu filmen. Das tatbestandsmäßige Aufnehmen kann befugt sein, sofern eine notwehr- oder notstandsähnliche Lage bestanden hat. Erforderlich ist hierfür, dass konkrete Anhaltspunkte für ein rechtswidriges hoheitliches Handeln oder eine Wiederholungsgefahr bestehen.

Was bedeutet all das für Betroffene?

Die Rechtsunsicherheit bleibt! Betroffene müssen je nach Einzelfall mit einem Strafverfahren wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB) rechnen, wobei die Strafandrohung bei Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahre oder Geldstrafe liegt. Wurde die Strafbarkeit der Video- oder Tonaufnahme rechtskräftig festgestellt, sind die Erfolgsaussichten für Folgeverfahren verringert: Die Vorlage von derartigen Aufzeichnunge zu Beweiszwecken in anschließenden Straf-, Adhäsions- oder Zivilverfahren gegen Polizeibeamt:innen stellt sodann ein tatbestandsmäßiges Zugänglichmachen gem. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB dar. Im Falle tatsächlicher Beweisnot könnte das Vorlegen dann allerdings befugt sein.

Mangels Grundsatzentscheidung zum Filmen von Polizeieinsätzen muss abgewartet werden, ob und wie sich die Rechtsprechung festigt. Als grobe Richtlinie kann gelten, dass das Filmen von internen Gesprächen zwischen Polizeibeamt:innen oder Einzelmaßnahmen gegenüber Betroffenen eine Nichtöffentlichkeit und damit Strafbarkeit gem. § 201 StGB begründen kann. Das straflose Filmen einer räumlich-personell nach außen nicht abgegrenzten (d.h. öffentlichen) Situation dürfte dagegen allgemein in großen Gruppierungen (z.B. bei einem Fußballspiel, Fanmarsch oder der An- und Abreise an sich) vorliegen.

Gerade in Fällen, in denen man zu der persönlichen Einschätzung gelangt, dass zB ein Polizeieinsatz unter keinem Gesichtspunkt mehr verhältnismäßig sein kann (zB bei übermäßiger Gewaltanwendung gegen eine Person) kann eine Videoaufnahme oft der entscheidende Entlastungsbeweis sein.

Strafverteidiger Patrique Noetzel

Weil 100 Prozent
nicht genug sind,
wenn es um die Freiheit geht.

Patrique Robert Noetzel
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