Die wohl zukünftige Regierungskoalition aus Union und SPD stellte am 9. April 2025 unter dem Slogan „Verantwortung für Deutschland“ ihren Koalitionsentwurf vor. Einige Strafrechtswissenschaftler zweifeln an jedoch an dem Begriff der Verantwortung und sehen darin eher eine Einfallslosigkeit.
Doch was bedeutet diese „Verantwortung für Deutschland“ konkret für das zukünftige Strafrecht und welche Auswirkungen haben die Vorhaben der neuen Bundesregierung auf die Rechte von Fußballfans?
Modernisierung des Strafrechts
Ganz allgemein hat sich die Koalition vorgenommen, das Strafrecht zu modernisieren. Modernisierung in diesem Sinne meint die Prüfung, welche Vorschriften überflüssig sind und gestrichen werden können (Rn. 2886). Der Koalitionsvertrag – eine nicht bindende Absichtserklärung, die in ihrer Qualität nicht mit einem Gesetzesentwurf zu verwechseln ist – weist nahezu ausschließlich Strafverschärfungen sowie die Einführung neuer Gesetze und Tatbestandsmerkmale auf, um vermeintliche Strafbarkeitslücken des Strafgesetzbuches (StGB) zu schließen. Dabei wolle man die europa- und verfassungsrechtlichen Spielräume ausschöpfen, um ein Höchstmaß an Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten (Rn. 2623).
Die angestrebte Modernisierung des Strafrechts gleicht mithin eher dem altbekannten Streben nach „Law-and-Order“-Politik. Dazu verlangen die Koalitionsparteien um CDU, CSU und SPD von der Bevölkerung, den Sicherheitsbehörden „zu vertrauen“. Dass mit derartigen Floskeln und Absichten die Gefahr einhergeht, autoritäre Strukturen weiter zu stärken und Grundrechte zunehmend zu beschränken, hat nicht nur die Vergangenheit mahnend aufgezeigt. Ein blindes Vertrauen sei in Anbetracht des NSU-Terrors ein blanker Hohn für Betroffene, schreibt etwa der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) in seiner Pressemitteilung zum neuen Koalitionsvertrag.
Weiter ist eine erhebliche Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen – auch unter Hinzuziehung von künstlicher Intelligenz (KI) – geplant. Dazu gehören neben der Einführung einer Vorratsdatenspeicherung auch die Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung, die Erweiterung der Funkzellenabfrage sowie eine generelle Videoüberwachung. Hierdurch droht jedoch eine fortschreitende Relativierung grundrechtlicher Freiheiten, insbesondere im Spannungsverhältnis von Sicherheit und informationeller Selbstbestimmung.
Um es mit den sinngemäßen Worten des amerikanischen Gründervaters Benjamin Franklins zu verdeutlichen: Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.
Strafverschärfungen getrieben durch den öffentlichen Diskurs?
Im Sinne des Koalitionsvertrags soll der Schutz von Rettungskräften und Polizisten gestärkt werden. Diese immerwährende Forderung taucht wiederholt im Zusammenhang gesellschaftlicher Phänomene (z.B. Freibaddelinquenz aus dem Jahr 2023) auf. In strafrechtlicher Hinsicht ist der Schutz dieser Berufsgruppen schon seit langem über § 115 Abs. 3 StGB in Verbindung mit §§ 113, 114 StGB gegeben und wurde über die Jahre bereits ausgebaut. Die Strafandrohung liegt daher bereits mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe im erhöhten Sanktionsbereich des StGB. Speziell der Straftatbestand des „Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte“ gemäß § 113 StGB erweist sich in der Praxis bereits jetzt als tückisch, da die Eingangsvoraussetzungen niedrig sind und von den Strafverfolgungsbehörden übermäßig schnell angenommen werden. Eine erneute Verschärfung dieser Strafvorschriften könnte die Tür für Willkürhandlungen nur noch weiter aufschlagen.
Strafverschärfungen soll es auch bei der gefährlichen Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines Messers beziehungsweise mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 5 StGB geben. Es ist geplant, eine solche Tat zukünftig als Verbrechen einzustufen, sodass eine Freiheitsstrafe ab einem Jahr als Mindeststrafandrohung gelten würde.
Zudem soll die Gewalt an „Frauen und weiteren besonders verletzlichen Personen“ (Rn. 2918f.) verstärkt bekämpft werden. So soll z.B. der Tatbestand der Nachstellung gemäß § 238 StGB, dessen Geschädigte überproportional Frauen sind. Ebenso ist im Anwendungsbereich des Gewaltschutzgesetzes (GewSchuG) die Einführung des sog. spanischen Modells geplant, also des Einsatzes einer elektronischen Fußfessel bei Tätern.
Zusätzlich möchte die künftige Regierungskoalition auch den Strafrahmen „der Vergewaltigung, speziell der Gruppenvergewaltigungen sowie der Herbeiführung von Schwangerschaften“ (Rn. 2931f.) erhöhen. Auch dieses Vorhaben erscheint jedoch populistischer Natur, denn der Strafrahmen für Vergewaltigungen beträgt bereits zwei bis 15 Jahre Freiheitsstrafe, so dass angesichts der zeitigen Höchststrafe von 15 Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB) unklar bleibt, inwieweit man hier noch weiter schärfen möchte.
Generell sollen Strafverfolgungsbehörden moderner und digitaler werden. Daher soll ein umfassendes Digitales Gewaltschutzgesetz geschaffen werden, um die Rechtsstellung Betroffener im Internet zu verbessern und die Sperrung anonymer Hass-Accounts mit strafbaren Inhalten zu ermöglichen. Hierfür soll den Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf die jeweiligen Online-Plattformen gewährt werden, um selbstständig relevanten Daten erlangen zu können. Inwieweit diese Verpflichtung von privaten Online-Plattformen am Ende rechtlich umgesetzt werden soll, bleibt durchaus spannend.
Letztlich plant die zukünftige Koalition aus Union und SPD auch die Möglichkeit des Entzugs des passiven Wahlrechts von Menschen, die wiederholt wegen Volksverhetzung (§ 130 StGB) verurteilt wurden. Darüber hinaus möchte der Gesetzgeber prüfen, inwiefern eine Strafbarkeit für Amtsträger und Soldaten eingeführt werden kann, die im Zusammenhang mit der Dienstausübung antisemitische und extremistische Hetze in geschlossenen Messenger-Chatgruppen teilen. Da das Tatbestandsmerkmal „Verbreiten“ eine öffentliche Kundgabe fordert, ist in den Fällen privater Chats eine Strafbarkeit bis dato oftmals nicht verwirklicht.
Welche Auswirkungen haben die Bestrebungen der künftigen Bundesregierung auf Fußballfans und deren Bürgerrechte?
Fußballfans sind überproportional von staatlichen Repressionen betroffen. Wenngleich der Koalitionsvertrag sich mit nur einem Satz zur Fankultur beschäftigt (Rn. 3768), indem man diese durch die Unterstützung der „Koordinierungsstelle Fanprojekte“ weiter fördern möchte, haben viele der rechtlichen Vorhaben direkten oder indirekten Einfluss auf die Rechte von Fans.
Daher wird man als Strafverteidiger und Fananwalt besonders hellhörig, wenn es zu erneuten Strafverschärfungen bei den in der Theorie und Praxis bereits ohnehin ausufernden Widerstandsdelikten kommen soll. So äußerte auch der Dachverband der Fanhilfen seine Bedenken zum Koalitionsvertrag und sieht darin einen deutlichen Rückschlag für die Grundrechte betroffener Fußballfans.
Nicht zuletzt die erweiterten prozessualen Ermittlungsmöglichkeiten werden die Grundrechte von Fußballfans weiter beschränken. Im Sinne der oben beschriebenen Forderung, Vertrauen in die Sicherheitsbehörden zu haben, sei folgendes Praxisbeispiel nicht unerwähnt: Über Monate wurde das mobile Endgerät eines Mitarbeiters des Fanprojekts Leipzig ununterbrochen abgehört. Die Rechtswidrigkeit der Maßnahme wurde zuletzt vom LG Dresden bestätigt. Dieses Vorgehen steht im eklatanten Widerspruch zum Plan der künftigen Bundesregierung, die Arbeit der Fanprojekte weiter zu fördern.
Bisher steht zwar nur ein Koalitionsvertrag im Raum, es ist aber noch keine neue Regierung im Amt. Es wird sich nunmehr zeigen, welche Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden und inwieweit diese Gesetzesinitiativen in den jeweiligen Ministerien Gestalt finden.
Unabhängig vom Wandel der Politik und des Strafrechts, werde ich Ihnen weiterhin jederzeit entschlossen zur Seite stehen und für Ihre Rechts kämpfen.